8. Juli 2023

WM-Generalprobe misslungen

Die Generalprobe für die Frauen-WM in Australien und Neuseeland ist den DFB-Frauen gründlich misslungen. Die 2:3-Niederlage vor 11.404 Zuschauenden in Fürth gegen Sambia ist schon vom Ergebnis her eine Enttäuschung, aber insbesondere die gezeigten Schwächen in der Abwehr und im Passspiel lassen zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung nichts Gutes erwarten. Bleibt die Hoffnung auf eine deutliche Steigerung bis zum 1. WM-Spiel am 24. Juli gegen Marokko. Ein Kommentar von FiDo-Chefredakteur Michael Rappe.

Im deutschen Fußball scheint bei den Trainern die Testeritis ausgebrochen zu sein. Schon bei den Männern hat Hansi Flick mit unsäglichen Experimenten für viel Unruhe gesorgt. Ganz so schlimm ist es bei den Frauen nicht, doch auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sorgte bei der WM-Generalprobe gegen Sambia für verständnisloses Kopfschütteln. Das Experiment, Svenja Huth auf der rechten Seite defensiv aufzustellen, ist komplett danebengegangen. Im letzten Spiel vor einer WM probiert man nichts mehr aus, sondern lässt die vermeintliche WM-Elf spielen – und zwar auf den Positionen, wo die jeweiligen Spielerinnen ihre Stärken haben. Die Probleme auf der rechten Abwehrseite sind seit langem bekannt, doch Sophia Kleinherne hat zumindest auf dieser Position Erfahrung. Huth wird auf dem Flügel offensiv gebraucht – als quirlige Dribblerin oder Flankengeberin für Alexandra Popp oder Lea Schüller.

Noch viel zu tun bis zur WM: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.
Foto: DFB

Nun fliegt die deutsche Mannschaft mit einem Negativerlebnis zur WM. Auch nach mehreren Wochen Trainingslager (zumindest seit 24. Juni waren auch die Bayern-Spielerinnen dabei) ist noch keine eingespielte Mannschaft zu erkennen. Zwei große Schwächen der letzten Spiele zeigten sich auch in dieser Partie gegen schnelle und konterstarke Afrikanerinnen. Die Defensive lässt sich mit einem schnellen Pass aushebeln, von einem sicheren Wolfsburger Block war nichts zu sehen. Und das Spiel in die Spitze funktioniert überhaupt nicht. Die Passqualität lässt stark zu wünschen übrig.

Zudem scheinen einige Leistungsträgerinnen ihrer Form weit hinterher zu laufen. Klara Bühl hatte einen rabenschwarzen Abend, ihr Einwurf vor dem 2:3 war hanebüchen. Der Aktionsradius von Sara Däbritz lässt schon seit geraumer Zeit sehr zu wünschen übrig. Ein paar Sicherheitspässe, das Tempo verschleppen, kein Torabschluss – so kann sie dem Team nicht helfen. Lina Magull ist ebenfalls weit von ihrer Bestform entfernt, steigerte sich aber zumindest in der zweiten Halbzeit. Sie versteckt sich zumindest nicht wie Däbritz. Jule Brand scheint in ihrer Entwicklung stehen geblieben zu sein. Wo sind die Tempoläufe von ihr geblieben?

Positiv anzumerken ist die offensive Steigerung in der zweiten Halbzeit. Sydney Lohmann und Carolin Simon brachten Schwung. Hoffentlich hat sich Simon nicht schwerer verletzt, das gilt natürlich auch für Marina Hegering und Lena Oberdorf. Sie wären für die defensive Stabilität nicht zu ersetzen. Offensiv sind die Sorgen geringer. Pfosten, Latte, zwei Tore, weitere Chancen – dieses Team ist immer für Tore gut. Vielleicht sollten Lea Schüller und Alexandra Popp wirklich beide zusammen auflaufen. Ihre Kopfballstärke ist für jeden Gegner eine (doppelte) Gefahr. Und das schafft vielleicht auch Raum für Bühl, Huth oder andere.

Das Publikum in Fürth war dankbar und begeisterungsfähig. Noch ist viel Euphorie vorhanden, die Moral der Mannschaft ist intakt. Kämpferisch wird dieses Team immer alles geben. Im Laufe des Samstags wird der endgültige Kader nominiert, am Dienstag geht der Flieger nach Australien. Es muss eine deutliche Steigerung her. Diese ist der Mannschaft aber auch zuzutrauen.

Michael Rappe

3 Comments

  • Hallo Michael,
    Ich kann Deiner Beurteilung des Spiels weitestgehend beipflichten.
    Die Abwehr war eine permanente Unsicherheitsquelle. Hinzu kamen mehrere stümperhafte Ballverluste, die dann zu den blitzschnellen Kontern der Afrikanerinnen geführt haben. Ob Kleinherne jetzt tatsächlich die perfekte Lösung wäre? Nach ihrem kapitalen Bock gegen Vietnam bin ich mir da nicht so sicher. Aber immerhin wäre es zumindest ihre Kernkompetenz. Das SVENNI in der Abwehr keine gute Figur machen würde, hätte Martina von den ehemaligen FFC-lern aus Frankfurt erfahren können. Colin Bell machte dort seinerzeit den gleichen Fehler, der SVENNI dann nach Potsdam brachte. Irgendwie fehlte mir die Ernsthaftigkeit bei einigen „Etablierten“. Da es ja immer noch um ein Ausschlussverfahren von Martina ging, schienen sich einige Spielerinnen sehr sicher zu sein, unter den TOP 23 zu landen.
    Eigentlich bleibt nur zu hoffen, dass der Wettbewerb im Turnier die Mannschaft wieder zur Ordnung ruft. In den wenigen Tagen bis zum Beginn der WM können Martina und BRITTA jetzt nichts mehr neu einstudieren.
    Die schon gegen Vietnam lautstark beklagte fehlende Passgenauigkeit, die nun auch mit den TOP-Stars aus Wolfsburg und Bayern kaum besser wurde, muss dann jetzt irgendwie von selbst besser werden. Ansonsten wird Team Deutschland in Australien und Neuseeland ziemlich bald seine Titelträume begraben können.
    Denn die Offensive muss dann die Fehler der wackeligen Abwehr kompensieren können.
    Bin mal gespannt wer jetzt gestrichen wird.

  • Achja, hätte ich beinahe noch vergessen. Hast Du mitbekommen, warum es am Ende der zweiten Hälfte satte 10 Minuten Nachspielzeit gab, die durch die beiden Tore sogar noch zu 14 Minuten wurden?

  • Es waren ja sogar 14 Minuten Nachspielzeit. Die Spielerinnen von Sambia lagen natürlich oft „verletzt“ auf dem Boden und die Verletzung von Caro Simon hat auch Zeit gekostet. Aber so viel Nachspielzeit war nicht berechtigt.

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