31. Juli 2022

Wieder ein Wembley-Drama – Kapitänin Popp fehlte sehr

Das Wembley-Stadion ist offenbar für Fußball-Dramen prädestiniert. Zwar steht das Vorgänger-Stadion von 1966 längst nicht mehr, doch auch der nachfolgende Fußball-Tempel schreibt seine besonderen Geschichten. 56 Jahre nach den Männern haben nun auch die englischen Frauen ihren ersten internationalen Titel gewonnen. Das Team von Trainerin Sarina Wiegman gewann gegen Deutschland glücklich mit 2:1 (1:1, 0:0) nach Verlängerung. Wiegmann, die 2017 mit den Niederlanden den Titel gewonnen hatte, krönte sich damit zum zweiten Mal in Folge als Siegtrainerin. Die Tore erzielten vor der EM-Final-Rekordkulisse von 87.192 Zuschauenden Ella Toone (62.), Lina Magull (79.) und Chloe Kelly (111.). Im neunten EM-Finale hat Deutschland nun erstmals verloren.

Die Öffentlichkeit erfuhr es erst wenige Minuten vor Spielbeginn, intern war es schon etwas früher klar gewesen. Alexandra Popp hatte bereits am Tag zuvor muskuläre Probleme. Der Beginn des Warmmachens war noch ganz gut, dann musste die deutsche Kapitänin und sechsfache Torschützin leider passen. Ein schwerer Verlust für die deutsche Elf, die schon Klara Bühl ersetzen musste. Für Popp kam Lea Schüller in die Mannschaft, der jedoch anzumerken war, dass die Corona-Pause ihr noch in den Knochen steckte.

England hatte durch Ellen White und Lucy Bronze erste Tormöglichkeiten, auf der Gegenseite wurde ein Schuss von Sara Däbritz geblockt. Viele Torchancen gab es in der ersten Halbzeit nicht, es wurde erbittert um jeden Ball gekämpft. Zahlreiche Zweikämpfe und Fouls kennzeichneten die Partie, die spielerisch nicht die Erwartungen erfüllte. Von Tempospiel und strukturierten Angriffsaktionen war nur wenig zu sehen. Die Offensivspielerinnen hatten es auf beiden Seiten einfach schwer. In der 25. Minute sprang Englands Kapitänin Williamson der Ball an die abgespreizte Hand. Der VAR überprüfte und ließ die Szene durchgehen. Eine unverständliche Entscheidung, Pech für Deutschland. Überhaupt bot die ukrainische Schiedsrichterin Kateryna Monsul und ihr Gespann an der Außenlinie eine sehr unsichere Leistung, streckenweise wirkte sie mit der intensiven Partie überfordert. Das war überraschend, denn sie hat schließlich umfangreiche internationale Erfahrung und 2015 bereits das WM-Finale der Frauen gepfiffen.

Was für eine großartige Kulisse in Wembley. Foto: Imago/Shutterstock

Mit 0:0 ging es in die Halbzeit, und bisher hatte kein Team den Engländerinnen so wenig Torchancen ermöglicht. Kathrin Hendrich und Marina Hegering überzeugten in der Innenverteidigung und ließen nur wenig zu. Der Kampfgeist war wiederum vorbildlich. Zur zweiten Halbzeit kam Tabea Waßmuth für Jule Brand, die kaum zum Zuge gekommen war. Die Wolfsburgerin hatte gleich eine gute Chance (48.). Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte in der Pause mehr Mut gefordert, und das setzte das deutsche Team auch um. Lina Magull verzog aus acht Metern nur knapp, Lea Schüller kam nach einem Steilpass von Waßmuth einen Schritt zu spät. Völlig überraschend fiel das 1:0, als Ella Toone nach einem langen Ball davonzog und Merle Frohms mit einem Lupfer überwand.

Nur vier Minuten später hatte Magull mit einem Lattenkracher Pech, Schüller verpasste im Nachschuss. Sydney Lohmann kam für Sara Däbritz und hatte fast den Ausgleich erzielte, den Magull dann in der 79. Minute doch schaffte. Eine Hereingabe von Waßmuth verwandelte sie zum 1:1. Danach passierte bis zum Schlusspfiff der regulären Spielzeit nicht mehr viel. Linda Dallmann ersetzte Magull, die völlig erschöpft war, nach 103 Minuten war auch für Hegering Schluss, für die Sara Doorsoun hineinkam.

Die Partie blieb ruppig, vier Gelbe Karten für England und drei für Deutschland zeugen davon. Zwingende Chancen gab es kaum, ehe Kelly den Ball im Nachsetzen über die Linie spitzelte. Linda Dallmann traf noch das Außennetz (114.), Frohms glänzte gegen Alessia Russo. Die Engländerinnen spielten nun arg auf Zeit, versuchten den Ball immer wieder an der Eckfahne festzumachen. Dem deutschen Team gelang kein konstruktiver Angriff mehr. Dann war Schluss, und England bejubelte seinen ersten Titel im Frauenfußball.

Michael Rappe

Das Spiel in Zahlen

Video-Zusammenfassung

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