24. Januar 2024

„Weniger Breite bedeutet weniger Ausnahmespielerinnen“

Die Winterpause im Frauenfußball neigt sich dem Ende zu. Am 27. Januar beginnt die TSG Hoffenheim mit dem Spiel beim deutschen Meister Bayern München. Zeit für eine Zwischenbilanz, nicht nur für das Bundesligat-, sondern auch für das Zweitligateam und den Nachwuchsbereich. Ralf Zwanziger, Leiter für Frauen- und Mädchenfußball, Jürgen Ehrmann, Sportlicher Leiter der U20 und für den Nachwuchsbereich, und Rico Weber, Trainer des Zweitligateams, sprachen mit FiDo-Redakteur Michael Rappe über die Situation im Frauen- und Nachwuchsbereich.

FiDo: Beginnen wir mit dem Bundesligateam. Wie fällt die Bilanz der ersten Halbserie – das Spiel bei den Bayern gehört noch zur Hinrunde – aus?

Ralf Zwanziger: Als Vierter sind wir gar nicht so unzufrieden. Wir haben ein paar Punkte zu viel verloren. Unsere Aufgabe ist es, konstanter in unseren Leistungen zu werden und die Fehleranfälligkeit zu verringen. Zwar hat Frankfurt momentan die besseren Karten im Kampf um Platz drei, unsere Ausgangssituation ist dennoch in Ordnung.

FiDo: Der Transfermarkt ist mächtig in Bewegung. Tut sich auch bei der TSG noch etwas?

Ralf Zwanziger: Außer Mathilde Janzen (zu Werder Bremen) wird uns keine Spielerin verlassen. Sie hatte es als Nachwuchstalent auf ihrer Position schwer. Neuzugänge sind jetzt im Winter auch nicht geplant.

FiDo: Die Zuschauerzahlen in der Bundesliga steigen vielerorts, in Hoffenheim und an anderen Standorten langsamer. Wie erklären Sie das?

Ralf Zwanziger: Man muss die Zahlen sehen, wie sie sich bei uns entwickeln. Sie steigen langsam, aber sie steigen, daher sehe ich das nicht dramatisch. Gerade mit Blick auf die Gegner, die wir bisher hatten. Auch die TSG-Männer haben verhältnismäßig wenig Zuschauer. Bei den Frauen fehlen zudem die Gästefans. Wir sind keine Stadt wie Köln, wo man sagt, wir gehen zum FC, egal ob Frauen oder Männer. Unser Highlightspiel gegen Wolfsburg im September 2022 hat gezeigt, was möglich ist. Aber, ich habe lieber eine stetige Entwicklung als ein einziges Highlightspiel mit vielen Fans.

FiDo: Wird es in dieser Rückrunde mal wieder ein Spiel im großen Stadion geben?

Ralf Zwanziger: Das ist geplant. Auch die Geschäftsführung wünscht ein solches Spiel. In diesem Halbjahr haben wir mit Wolfsburg, Frankfurt und Bayern noch attraktive Gegner zu Hause, die sich für ein Spiel in der PreZero Arena anbieten. Aber auch im Dietmar-Hopp-Stadion erwarten wir gegen die genannten Gegner deutlich mehr Fans.

FiDo: Kommen wir zur zweiten Mannschaft, die abgeschlagener Tabellenletzter der 2. Bundesliga ist. Woran hat es gelegen?

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Trainer Rico Weber: Wir sind natürlich mit anderen Zielen in die Saison gegangen, wussten aber, dass der Klassenerhalt schwer wird. Aus den letzten Jahren kennen wir die Situation, um den Ligaverbleib zu kämpfen Wir sind ein extrem junges Team und müssen als U20 – und eigentlich sind wir eine U18 – gegen deutlich ältere Teams antreten. Die sind oft kaltschnäuziger, erfahrener. Und die 2. Liga ist definitiv stärker geworden. Für uns ist wichtig, in den verbleibenden Partien konsequenter und effektiver in der Offensive zu werden. Dass einige Langzeitverletzte zurückkehren, wird uns ebenfalls helfen.

Jürgen Ehrmann: Ich bin oft bei Spielen und im Training dabei. Ich kann sagen, dass die Arbeit des neuen Trainerteams sehr gut ist. Und wie die Mannschaft Woche für Woche auftritt, ist positiv. Die Harmonie ist da. Aber Ausbildung benötigt Zeit, davon würde ich mir mehr für die jungen Talente wünschen.

FiDo: Was würde ein Abstieg in die Regionalliga bedeuten?

Rico Weber: Noch können wir aus eigener Kraft den Klassenerhalt schaffen, wofür wir alles tun werden. Trotzdem würde ein Abstieg unserer Talententwicklung nicht schaden. Die Regionalliga Süd böte den Spielerinnen ein gutes Niveau an. Deshalb haben sich auch bereits einige wichtige Akteurinnen für den weiteren Weg bei der TSG entschieden – unabhängig von der Liga. Schlechte Phasen sind sicherlich auch gut für den Charakter, aber Erfolgsergebnisse sind ebenso wichtig für die Entwicklung. An unserer Arbeit würde sich definitiv nichts ändern. Talententwicklung ist nicht von der Liga abhängig.

FiDo: Viele Zweitligaspielerinnen kommen aus der U17 der TSG, die in der Bundesliga Süd Erster ist. Nun werden diese B-Juniorinnen-Bundesligen nach dieser Saison abgeschafft. Was sagen Sie dazu?

Ralf Zwanziger: Laut DFB waren 80 Prozent der Vereine für eine Abschaffung der B-Juniorinnen-Bundesliga. Meine Einschätzung geht dahin, dass die meisten dieser Vereine gegen die aktuelle Form der B-Juniorinnen-Bundesliga sind. Der DFB hat sich leider nie damit beschäftigt, wie man die Bundesligen hätte attraktiver gestalten können. Sie wurden ohne Alternative abgeschafft. Und jetzt, Mitte Januar, wissen wir noch nicht, wo unser U17-Team ab Sommer spielen wird. Vor einer Abschaffung muss man Alternativen anbieten. Das ist leider nicht gegeben und demnach unbefriedigend.

FiDo: Wie geht es mit den B-Juniorinnen weiter?

Jürgen Ehrmann: Derzeit glauben wir, dass die U15-Landesliga männlich passen würde. Da liefen bereits Testspiele, um es richtig abschätzen zu können. Wichtig wäre dabei, dass auch der ältere U17-Jahrgang spielberechtigt ist. Leider ist sowohl die Einteilung als auch die genannte Spielberechtigung noch nicht geklärt. Hinzu kommt, dass wir vor kurzem vom DFB als einer von vier bis fünf Vereinen für das Projekt „FLZW“ (Frauenfußball-Leistungszentrum weiblich) ausgewählt wurden. Das freut uns sehr. Um besser planen zu können, wäre es jedoch gut, schnellstmöglich zu wissen, wo wir ab Sommer mit der U17 antreten werden.

FiDo: Wie ist es denn generell um den Nachwuchs bestellt, qualitativ wie quantitativ?

Ralf Zwanziger: Die Zahlen bei uns in der Region sind rückläufig. Es fehlt an Vereinen, die weiblichen Fußball anbieten. Auch wir müssen wieder aktiver werden, an die Grundschulen gehen und Vereine für Kooperationen gewinnen. Wir hatten mal zu viele Anfragen von Mädchen, aber die Zeiten sind vorbei. Die geringer werdende Breite wird mehr und mehr zum Problem. Weniger Breite bedeutet zwangsläufig weniger Ausnahmetalente wie Jule Brand, Sarai Linder und Mara Alber.

Michael Rappe

Beitragsbild: Rico Weber (Trainer TSG U20), Jürgen Ehrmann (Sportlicher Leiter U20 und Nachwuchs), Ralf Zwanziger (TSG-Abteilungsleiter Frauen- und Mädchenfußball): Foto: TSG/Kristijan Petric

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