29. April 2023

Sarai Linder: „Wir rechnen mit einem 50:50-Spiel“

Den 11. April 2023 wird Sarai Linder mit Sicherheit nie vergessen. Zur zweiten Halbzeit des Fußball-Länderspiels Deutschland gegen Brasilien in Nürnberg wurde sie für Sophia Kleinherne aus Frankfurt eingewechselt und feierte ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft. Die 23-Jährige, die seit der E-Jugend – mit einem Jahr Unterbrechung in Orlando – für die TSG Hoffenheim spielt, ist die erste gebürtige Sinsheimerin, die den Sprung zu den DFB-Frauen geschafft hat. Zudem ist sie bereits die neunte deutsche A-Nationalspielerin, die der Bundesligist aus dem Kraichgau, der Region rund um Sinsheim, hervorgebracht hat. Linder hat bisher 83 Bundesliga- und zehn Champions-League-Spiele für Hoffenheim bestritten. Über die aufregenden Tage beim Nationalteam, den großen Wunsch Champions-League-Qualifikation, das Topspiel am Sonntag in Frankfurt (13 Uhr, live bei Magenta Sport) und den großen Traum WM in Australien und Neuseeland in diesem Sommer sprach sie mit FiDo-Chefredakteur Michael Rappe.

FiDo: Sarai Linder, am Sonntag kommt es im Kampf um Platz drei und die Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation zum möglicherweise vorentscheidenden Spiel bei Eintracht Frankfurt. Wie sehen Sie die Bedeutung dieser Partie?

Linder: Für uns wird das ein richtungsweisendes Spiel. Wir wissen aber auch, dass es nicht schon entscheidend im Kampf um den dritten Platz sein wird. Wir haben in Leverkusen einmal mehr gesehen, dass man gegen jeden Gegner, wenn es nicht gut läuft, mal zwei oder sogar drei Punkte liegenlassen kann. Frankfurt ging es in Duisburg ähnlich. Klar, man hat es danach nicht mehr selbst in der Hand, aber dennoch ist noch alles drin.

FiDo: Im Hinspiel gab es ein turbulentes 3:3 nach einem 1:3-Rückstand Ihrer Mannschaft. Was erwarten Sie diesmal?

Linder: Es wird sicherlich entscheidend sein, wer den besseren Tag erwischt und besser ins Spiel findet. Wir rechnen mit einem 50:50-Spiel, bei dem es auf Kleinigkeiten ankommen wird, beispielsweise aufmerksam und fit man ist. Wir gehen davon aus, dass wir nicht viele Chancen bekommen werden, entsprechend müssen wir effizient sein. Im Hinspiel hat sich gezeigt, dass alles drin ist, auch wenn ein Team mit einem oder zwei Toren in Führung geht.

Sarai Linder (TSG Hoffenheim). Foto: Markus Friedel

FiDo: Von liegen die Stärken bei den Eintracht-Frauen?

Linder: Die Stärken von Frankfurt sehe ich auf jeden Fall in der Offensive. Sie spielen zielstrebig und schnörkellos nach vorne und suchen schnell die Tiefe, um ihr Tempo zu nutzen. Viele Spielerinnen sind sehr abschlussstark.

FiDo: Kürzlich haben Sie gegen Brasilien ihr Debüt bei den DFB-Frauen gefeiert. Wie waren die Tage beim A-Nationalteam?

Linder: Es war total spannend und hat richtig Spaß gemacht. Die Trainingstage beim Nationalteam sind intensiver als im Verein, das Spieltempo ist viel höher. Für mich habe ich mitgenommen, dass ich noch schneller in der Entscheidungsfindung und noch präziser in meinem Passspiel werden muss.

FiDo: Wie war Ihre Gefühlslage vor der Einwechslung gegen Brasilien?

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Linder: So viel habe ich gar nicht gedacht, nur, dass ich mich gut aufwärmen muss. Es war richtig cool, gegen Brasilien 45 Minuten Einsatzzeit zu bekommen. Dafür bin ich total dankbar, das hat mir sehr viel bedeutet. Ich konnte hinterher bis drei Uhr nachts nicht einschlafen. Schön war auch, dass meine Eltern und mein Freund dabei waren.

FiDo: Vom Ergebnis her lief es mit 1:2 nicht so gut. Woran lag das?

Linder: Es war für uns alle sehr emotional, weil Dzsenifer Marozsán ihr letztes Spiel gemacht hat. Jeder wollte für sie gewinnen. Vielleicht hat deshalb die letzte Konzentration gefehlt, möglicherweise hatten wir auch einfach zu viel Respekt vor Brasilien.

FiDo: Im Sommer ist die WM in Australien und Neuseeland. Vorher sind nur noch zwei Länderspiele gegen Vietnam und Sambia. Wie sehen Sie die Chancen, im Kader für die WM zu stehen?

Linder: Die WM ist ein riesengroßer Traum, aber da will ich mich jetzt noch nicht draufstürzen. Der Fokus liegt nun auf dem Verein, und wenn ich beim nächsten Lehrgang dabei bin, möchte ich mich wieder zeigen.

FiDo: Was bedeutet es für Sie, als gebürtige Sinsheimerin den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft zu haben?

Linder: Es macht mich sehr stolz, dass ich alle U-Teams beim DFB und bei der TSG durchlaufen habe und den Verein jetzt auch in der A-Nationalmannschaft vertreten darf. Ich darf und durfte meinen Traum leben, ohne Internat, alles hier in meiner Heimat.

FiDo: Für eine waschechte Kraichgauerin sprechen Sie ein bemerkenswertes Hochdeutsch.

Linder: Ja, mein Papa hat darauf immer sehr viel Wert gelegt. In der Grundschule habe ich noch Dialekt gesprochen. Leider habe ich es im Diktat auch geschrieben… (lacht)

FiDo: Können Sie sich noch an Ihr erstes Training in Hoffenheim bzw. im Förderzentrum St. Leon-Rot erinnern?

Linder: Ich habe erst bei den Jungs des SV Hilsbach gespielt und im Breitensport-Mädchen-Team in Hoffenheim gespielt. Die TSG hat bei Turnieren immer gesichtet, und so wurde ich mal zu einem Sichtungstraining eingeladen. Jugendkoordinator war damals Marco Göckel.

FiDo: Die TSG hat Anfang März sensationell 2:1 bei Meister Wolfsburg gewonnen. Beim Ausgleich waren Sie ja hautnah dabei.

Linder: Ja, das stimmt. Ich war nur froh, dass der Ball drin war und habe deshalb gejubelt. Alle stürzten auf mich zu, dabei habe ich das Tor gar nicht gemacht. Es war ein Eigentor von Felicitas Rauch.

FiDo: Wie bringen Sie Fußball und Beruf unter einen Hut?

Linder: Ich mache eine dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin, das passt natürlich auch gut zum Fußball. Trotzdem ist es ein hoher organisatorischer Aufwand. Ich bin froh, wenn das geschafft ist.

FiDo: Abgesehen von dem einen Jahr in Orlando haben Sie ihr ganzes Leben in der Region verbracht. Können Sie sich einen Vereinswechsel vorstellen?

Linder: Momentan fühle ich mich sehr wohl hier, wenn der Verein sich weiterentwickelt, kann es gut sein, dass ich mich auch noch in vier, fünf Jahren wohl fühle. Klar, das Ausland reizt ebenfalls, aber ich bin auch gerne bei meiner Familie.

Michael Rappe

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