23. Oktober 2022

Ralf Kellermann: Für uns zählt nur der Gruppensieg

Mit 4:0 gegen SKN St. Pölten ist der VfL Wolfsburg standesgemäß in die Gruppenspiele der Champions League gestartet. Die Tore gegen die Österreicherinnen erzielten Ewa Pajor per Doppelschlag (8., 15.), Lena Lattwein (56.) und Jill Roord (89.). 1706 Zuschauer sahen die Partie am Donnerstagabend im AOK-Stadion. „Die Auslosung hätte deutlich schwieriger sein können“, hatte Manager Ralf Kellermann in einer Medienrunde vor dem Auftakt in der Champions League gesagt und sich auch zu weiteren Themen wie dem Bundesliga-Topspiel am Sonntag gegen Wolfsburg, den neuen Fernsehvertrag, die USA-Reise der Nationalmannschaft und die Nachwuchsförderung geäußert.

Trotz der vermeintlich leichten Auslosung warnt Ralf Kellermann davor, irgendeinen Gegner zu unterschätzen. „Das Niveau hat sich im europäischen Vereinsfußball angenähert“, sagte er. Der österreichische Fußball stünde international gut da, auch wenn die meisten Nationalspielerinnen im Ausland spielten. Kellermann lobte die Infrastruktur bei St. Pölten, die besser als bei manchem Bundesligisten sei. Zum Vergleich mit europäischen Topteams wie Barcelona, Lyon oder Arsenal sagte er: „Der deutsche Vereinsfußball ist absolut konkurrenzfähig, Bayern und wir können sich Hoffnungen machen, in der Champions League sehr weit zu kommen. Ab dem Viertelfinale sind dann alle auf Augenhöhe.“ Der Manager teilte auch mit, dass der VfL für die drei Gruppenspiele im AOK-Stadion bleiben werde.

Zum neuen Vertrag in Sachen Medienrechte äußerte sich Kellermann positiv. „Ich bin froh, dass wir mehr Partner und mehr Sichtbarkeit haben.“ Die negativen Äußerungen zu den Montagsspielen kann er nicht so recht nachvollziehen. Die Argumentation, dass Spielerinnen arbeiten müssten, verstünde er nicht. „Was ist Freitag anders als Montag?“, fragte er, beides seien Wochentage. Vielleicht sei eine Anreise am Sonntag sogar besser als Freitag bzw. Donnerstag. „Mehr Geld wollen und dann sagen, wir spielen Montag nicht, geht ja nicht.“ Für die Fans, die dann montags weit fahren müssten und vielleicht erst am Dienstag zurück, habe er allerdings Verständnis. Beim vermeldeten prozentualen Aufschwung der Summe für die Vereine – das 16-fache des bisherigen Vertrages – musste Kellermann allerdings schmunzeln. „Der Ertrag war schon letzte und diese Saison nicht mehr zeitgemäß, und auch künftig gibt es für die Topteams mit diesem Vertrag keine schwarze Null“, gab der 55-Jährige zu bedenken. Zudem sind für ihn 22 Spieltage für eine ordentliche Vermarktung zu wenig, denn wer nicht Champions League spiele, habe lange Pausen.

Vor dem Topspiel des Tabellenführers VfL Wolfsburg am Sonntag in der Volkswagen Arena (14 Uhr, live bei MagentaSport), für das bereits über 18.000 Karten – neuer Rekord für ein Bundesligaspiel des VfL – verkauft sind, stellte Kellermann einen Vergleich der beiden deutschen Ausnahmeteams an. „Bayern unternimmt seit Jahren die gleichen Anstrengungen wie wir. Wir sind sportlich auf Augenhöhe, es wird auf die direkten Duelle ankommen.“ Von Platz drei bis zu Platz vier seien es ja jetzt schon vier Punkte. Das Momentum spricht vielleicht für den VfL, weil er in der letzten Saison dreimal gegen die Bayern gewonnen hat und derzeit Tabellenführer ist. „Es geht auch um die Tagesform“, so Kellermann. Ein Erfolgsfaktor ist natürlich Alexandra Popp. „Sie ist, ja ich weiß nicht, im zweiten, dritten oder vierten Frühling“, sagte er über die seiner Meinung nach beste Kopfballspielerin der Liga. „Poppi ist fit, das ist für sie besonders wichtig.“ Gegen die Bayern und vermutlich mehrere Wochen wird Tabea Waßmuth wegen einer Muskelverletzung ausfallen.

Der Hype seit der Frauenfußball-EM freut ihn sehr. Die Spielerinnen, wie zum Beispiel Alexandra Popp, die kürzlich von mehr als 100 Medienanfragen sprach, könnten sich vor Anfragen kaum retten. „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, den Schwung mitzunehmen, wann dann?“ Mit Freude hat er beim Wolfsburger Spiel in Hoffenheim registriert, dass bei der Auswechslung von Svenja Huth 5000 Leute aufgestanden seien und applaudiert hätten. „Das sind neutrale Fans und das ist eine Folge der EM.“

Dass die vielen Mädchen, die jetzt nach der EM Fußball spielen möchten, teilweise von den Vereinen mangels Kapazitäten abgewiesen werden müssen, wie DFB-Präsident Bernd Neuendorf mitgeteilt hat, versteht er nicht. „Wir haben den Anspruch, dass jedes Mädchen Fußball spielen kann. Da sehe ich uns in Wolfsburg und Umgebung gut aufgestellt.“ Generell gelte für ihn, dass „wir alle dafür sorgen müssen, dass jemand, der Sport treiben möchte, dies auch tun kann.“

Kritisch äußerte sich Ralf Kellermann zum Zeitpunkt der USA-Reise der deutschen Nationalelf. Er habe natürlich Verständnis dafür, dass es Tests gegen die besten Gegner gibt, aber „die Belastung ist sehr hoch.“ Er habe aber vollstes Vertrauen in die Reise-Organisation des DFB und in die Belastungssteuerung bei den beiden Spielen am 11. und 14. November.

Nach vielen Fragen der Journalisten endete die höchst informative Medienrunde nach etwa einer Stunde. Es zeigte sich einmal mehr, dass Ralf Kellermann stets etwas zu sagen hat.

Michael Rappe

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