28. Mai 2022

Almuth Schult: Der letzte Auftritt

Eine Spielerin wird im 42. DFB-Pokalfinale am Samstag im RheinEnergieStadion zu Köln (Anpfiff 16.45 Uhr, ARD und Sky) ganz besonders im Blickpunkt stehen: Almuth Schult. Für die Torhüterin des VfL Wolfsburg ist es nach neun Jahren der letzte Auftritt im Dress der Wölfinnen. Bevor sie zu Angel City FC nach Los Angeles wechselt, möchte sie gegen Turbine Potsdam zum achten Mal in Folge den Pokal gewinnen. Unterbrochen von ihrer Schwangerschaft und einer Schulterverletzung, war Schult immer dabei, im Finale 2020 stand Friederike Abt (heute Repohl) im Tor und sicherte den Sieg im Elfmeterschießen.

„Das Double wäre wunderschön zum Abschied“, sagte Schult in der Medienrunde des VfL am Dienstag. Man wolle immer so viele Titel gewinnen wie möglich, sagte sie, und es sei immer etwas Besonderes, nach Köln zu fahren. Aufgeregt bin ich nicht, „aber wehmütig.“ Das wurde in der Medienrunde deutlich. Almuth Schult ist ein Stück VfL Wolfsburg, sie hat dort alles gewunden, zudem mit der Nationalmannschaft die EM 2013 und Olympia 2016.

Zweimal in Folge musste das Finale ohne Zuschauer stattfinden, nun freut sie sich, dass die Ränge wieder gut gefüllt sind. „Richtung 20.000 bis 25.000“, hofft Schult. Ihre Eltern, die im heimischen Wendland einen Bauernhof zu betreuen haben, werden zum ersten Mal gemeinsam unter den Zuschauern sein, viele Freunde und Wegbegleiter:innen ebenso. Dass sie im Vorjahr gegen Frankfurt im Finale vom Platz flog, hat sie für sich verdrängt. „Ich versuche, positive Erinnerungen zu behalten“, sagte sie. Schult freut sich auf die großen Kabinen in Köln, auf die Ermüdungsbecken, wo „wir schon viele Partys gefeiert haben.“

Ein letzter Wink ins Publikum: Almuth Schult bei der Meisterfeier des VfL Wolfsburg. Foto: Imago/Hübner

An den Umzug in die USA denkt Almuth Schult noch nicht. „Das Kistenpacken ist noch weit weg“, so die 31-Jährige. Ihr Mann und die zweijährigen Zwillinge werden mitkommen. Dass das vermutlich anstrengend werden wird, weiß sie, aber „es kann gerne anstrengend werden, denn dann erlebt man viel.“ Man müsse Dinge ausprobieren. Sie freut sich auf das neue Kapitel. „In der US-Liga wird man in jedem Spiel gefordert, da gibt es viel Tempo und Zug zum Tor, mit vielen Fernschüssen und Flanken in den Strafraum“, beschreibt Schult die andere Spielweise als in der Bundesliga.

Nach dem Pokalfinale wartet jedoch noch die EM-Vorbereitung, vermutlich als Nummer zwei hinter Merle Frohms? Das sieht sie nicht als in Stein gemeißelt an. „Ich werde alles geben und es der Bundestrainerin so schwer wie möglich machen. Ich möchte für mein Land spielen“, stellte sie klar.

Almuth Schult wird der Bundesliga fehlen – als großartige Torhüterin und als Persönlichkeit. Wie oft hat sie ihre Meinung kundgetan, Kritik am Frauenfußball in Deutschland und seinen schwierigen Weg zu mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz geübt. „Ich bin nicht der Typ, um ruhig zu sein“, sagte sie, ist jedoch überzeugt, dass ihr andere folgen werden, die den Mund aufmachen und auf den Tisch klopfen.

Gefragt nach der kürzlich vorgestellten Auswertung zur Frauen-Bundesliga zu Fanpotenzialen und angeblich mehr Männern in den Stadien und unter den TV-Zuschauern, sagte sie: „Man muss erstmal eine Zielgruppe definieren, und diese dann ggfs. ändern und das Programm ändern. Ich freue mich über jeden Einzelnen im Stadion, auch wenn es mehr Männer sind. Es ist geschichtlich gewachsen, dass der Mann ins Stadion geht, vielleicht noch die Kinder mitnimmt, aber die Mama bleibt zu Hause.“ Sie hat das Gefühl, dass die Zahlen bei der TV-Nutzung geschönt werden. Die anderthalb Minuten Zusammenfassung in der Sportschau könne man nicht mit der Live-Resonanz vergleichen. „Man sollte nicht sagen, wie toll wir sind und dann ist es gar nicht so groß“, so Schult. Bis zur Akzeptanz in Amerika ist es noch ein weiter Weg für sie. Sie erinnert sich an die WM 2015 in Kanada, als 1000e vor dem Mannschaftshotel warteten.

Mit dem Karriereende beschäftigt sich Almuth Schult noch nicht. Es sei ein Geschenk, so lange spielen zu können. „Es ist nicht ausgeschlossen, noch mal in Deutschland zu spielen“, sagte Almuth Schult. Vielleicht ist es also doch nicht ihr letztes DFB-Pokalfinale.

Gelingt der 40. Sieg in Folge?

39 Siege am Stück hat der VfL Wolfsburg im DFB-Pokal seit 2014 errungen, mit dem 40. soll der achte Pokalsieg in Folge und der neunte insgesamt gelingen. Damit würde der VfL mit Frankfurt gleichziehen. „Wir machen uns keinen Stress, weil wir eine Serie zu verteidigen haben. Unser Anspruch ist es ohnehin immer, jedes Spiel zu gewinnen“, sagte Trainer Tommy Stroot in der abschließenden Pressekonferenz am Freitag. Für ihn gibt es keinen Favoriten. „Wir machen uns keinen Stress, weil wir eine Serie zu verteidigen haben. Unser Anspruch ist es ohnehin immer, jedes Spiel zu gewinnen.“

Abschied auch für Isabel Kerschowski

Auch für eine Ex-Wolfsburgerin wird es der letzte Auftritt sein, sogar der letzte in ihrer Karriere. Isabel Kerschowski (34) beendet ihre Karriere. 2015 stand Turbine im Finale, der letzte Titel liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. „Wir freuen uns, im Finale zu sein und haben vor, 100% zu zeigen“, meinte Turbine-Trainer Sofian Chahed. „Wir werden die schöne Atmosphäre genießen, aber am Ende zählt nur das Ergebnis. Wolfsburg ist individuell und mannschaftlich der Favorit und wir haben als klarer Underdog nichts zu verlieren. Trotzdem wollen wir mit dem Maximum, das wir aus der Mannschaft rausholen können, an unser Leistungslimit gehen, keine Angst haben und mutig nach vorne spielen.“

Die Vorfreude bei den Potsdamerinnen ist groß. „Das ganze Team, der ganze Club freut sich auf dieses Finale am Samstag“, blickte Merle Barth voraus. „Wir freuen uns auf eine wahnsinnige Kulisse mit unseren Fans im Rücken und unseren Familien und Freunden als Unterstützer im Stadion. Wir alle wissen, dass wir als klarer Underdog in dieses Spiel gehen werden, aber die Rolle nehmen wir sehr gerne an, und die Situation können wir nur als Chance nutzen. Ich glaube, nicht allzu viele Außenstehende glauben daran, dass wir am Ende den Pokal hochhalten werden. Wir wollen die Aussage ´der Pokal schreibt seine eigenen Gesetze´ am Samstag bestätigen. Dafür gehen wir über unsere Grenzen hinaus und fighten bis zum Abpfiff“, sagte Barth.

Michael Rappe

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